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Wo Spitzenforschung auf Mittelschule trifft

Das Schulmuseum Nürnberg startet mit Unterstützung der Klaus Tschira Stiftung ein ungewöhnliches Projekt zum Klimaschutz

Das Schulmuseum Nürnberg hat mit Förderung der Klaus Tschira Stiftung ein ungewöhnliches Projekt zum Klimaschutz gestartet. Copyright: Schulmuseum Nürnberg

Mathias Rösch ist Leiter des Schulmuseums Nürnberg, das an der Universität Erlangen-Nürnberg angesiedelt ist. Und er traut sich etwas. In diesem Schuljahr startet er ein Projekt zu Wissenschaft und Klimaschutz. Begegnen sollen sich dabei Spitzenforschung und nicht-privilegierte Jugendliche. Herauskommen sollen am Ende dann eine Annäherung der beiden Zielgruppen sowie Lernstationen und Erklärvideos. Ermöglicht wird das Projekt, das sich über zwei Jahre erstreckt, von der Klaus Tschira Stiftung.

 

 

Herr Rösch, worum geht es bei dem Projekt?

Mathias Rösch: Das zentrale Thema ist die Klimakrise. Unser Hauptziel ist es, Schülerinnen und Schüler aus der Mittelschule mit Menschen aus der Spitzenforschung zusammenzubringen. Oft hören wir nämlich Aussagen wie „Ist mir zu kompliziert“ oder „Geht mich nichts an“. Gleichzeitig möchten wir das Selbstwertgefühl der Jugendlichen stärken. Das geschieht fast automatisch im Kontakt mit Forschungspersönlichkeiten, wenn sie merken, dass sie die Forschenden verstehen können. Und am Ende drehen die Schülerinnen und Schüler auch noch kleine Erklärvideos über ihr Thema, die wir im Internet hochladen und in der Schulgemeinschaft vorstellen. Dabei geht es darum, sich genau zu überlegen, wie ich komplexe Inhalte so formuliere und darstelle, dass sie andere Jugendlichen auch verstehen können. Dadurch prägen sich Fakten viel tiefer ein. Die Videos werden von einer professionellen Produktionsfirma gedreht, so dass etwas entsteht, auf das die Jugendlichen stolz sein können.

Wie läuft das konkret ab?

Mathias Rösch: Ab dem nächsten Schuljahr nähern wir uns der Klimakrise mit den Jugendlichen über neun Bereiche an. Wie ist das zum Beispiel mit dem Boden? Wie ist das mit dem Wasser? Wie mit der Luft? Wenn sie dann einigermaßen sattelfest in ihrem Thema sind, kommt Besuch. Zu Gast sein wird eine Person, die in diesem Bereich beruflich tätig ist und die die Klimakatastrophe aktiv bekämpft. Das sind beispielsweise speziell ausgebildete Forstleute oder Menschen, die sich der Bodenversteppung entgegenstemmen oder erneuerbare Energien installieren.

Geht es da um die Erfahrung, dass es Berufsgruppen gibt, in denen ich selbst aktiv werden könnte?

Mathias Rösch: Genau. Dazu kommt aber noch die eigene Erfahrung vor Ort, die die Jugendlichen machen werden; nämlich beim Bäume pflanzen oder Rekultivieren eines versteppten Ackers. Das gibt einen völlig neuen, sehr handfesten Bezug zum Klimaschutz. Anschließend schauen wir aufs „große Ganze“, nämlich auf die Zusammenhänge, die die Wissenschaft erkennt: Wie entsteht denn das Wissen, damit ich überhaupt handeln kann? Das ist hier die Leitfrage. Jede Arbeitsgruppe bekommt einen Wissenschaftler, eine Wissenschaftlerin zugeteilt, mit deren Theorien, aber auch deren Werdegang sie sich beschäftigen. Anschließend besuchen die jungen Menschen sie an ihrem Arbeitsplatz und interviewen sie. Das ist eine unglaublich wichtige Erfahrung.

Wie viele machen mit?

Mathias Rösch: Wir arbeiten an drei Mittelschulen der Region Nürnberg-Erlangen mit jeweils einer Klasse, aus der wir drei Gruppen formen. Diese Gruppen wiederum werden von Studierenden betreut, die ihren Beruf zum Teil ebenfalls über den zweiten Bildungsweg gefunden haben. Durch die Projekte zur Wissenschaftsvermittlung, die wir seit acht Jahren anbieten, stehen wir mit vielen Schulen in der Region in enger Verbindung. Mittlerweile haben wir bereits Themen wie Genforschung, Künstliche Intelligenz oder Schwarze Löcher bearbeitet. Die Effekte sind zum Teil wirklich toll. Es gibt immer wieder Jugendliche, die nach der Teilnahme anfangen, ihre schulischen Anstrengungen zu verstärken und unbedingt studieren wollen, weil sie die Wissenschaft so spannend finden.

Wieso haben Sie jetzt das Thema Klima in den Fokus genommen?

Mathias Rösch: In den letzten Jahren haben wir bei den Schülerinnen und Schülern mehr Ängste bemerkt. Auch die Stimmung wurde insgesamt trüber. „Es geht ohnehin alles den Bach runter“ oder „Du kannst ja doch nichts machen“, haben wir immer häufiger gehört. Die Verantwortung fürs Handeln wird dabei der Wissenschaft und Politik zugeschoben.

Dagegen wollten wir angehen. Zudem stehen diese Jugendlichen für eine nicht nur zahlenmäßig bedeutsame Gruppe unserer Bevölkerung. Die Mittelschülerinnen und -schüler, mit denen wir bislang in unseren Projekten Kontakt hatten, sind meiner Ansicht nach zumeist genauso intelligent wie die Jugendlichen auf dem Gymnasium. Schwierigkeiten machen dagegen die sprachliche Ausdrucksfähigkeit, die Lese- und die Lernkompetenz und die innere Motivation. Und das ist schade, weil das Potenzial da wäre.

Wie kamen Sie darauf, dass die Klaus Tschira Stiftung das fördern könnte?

Mathias Rösch: Die Klaus Tschira Stiftung fördert eine Reihe von Bildungsprojekten mit naturwissenschaftlichem Bezug, daher sind wir an die Stiftung herangetreten. Wichtig war, dass unser Schulprojekt gefördert wird, auch wenn die Geförderten keine Absicht auf ein späteres Studium haben. Und wir waren auf der Suche nach einer Stiftung, die die großen, drängenden Probleme der Zeit in den Fokus nimmt.

Über was für einen Zeitraum geht das Ganze?                                                                              

Mathias Rösch: Es wird zwei Durchgänge geben. Der erste dauert von September/Oktober 2022 bis Juli 2023, danach läuft es noch ein weiteres Schuljahr.

Wie kommen Sie an die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler?

Mathias Rösch: Wir recherchieren seit Jahren zum Thema Klimakatastrophe, zur Forschung sowie den Forschenden in diesem Bereich. Dabei versuchen wir mit unserer Anfrage dann bei den genau richtigen Persönlichkeiten anzudocken. Manchmal gelingt das, weil die Wissenschaftlerin oder der Wissenschaftler selbst an einer Mittelschule waren oder vergleichbare Biografien haben. Oft nehmen wir direkten telefonischen Kontakt auf. Das ist wichtig, weil ich im Gespräch schon einschätzen kann, ob jemand sehr in seiner Fachsprache gefangen ist oder mit Jugendlichen eine gemeinsame Sprache findet könnte. Es ist entscheidend, dass beide Seiten aufeinander zugehen möchten.

 

Kontakt:

Dr. Mathias Rösch
Schulmuseum Nürnberg
Universität Erlangen-Nürnberg
Telefon: 0911-5302-574
E-Mail: schulmuseum@fau.de
www.schulmuseum.uni-erlangen.de