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27. Oktober 2021

Auf der Spur von Bergmolch und Feuersalamander

In eigener Sache: Exkursion in den Schlossgarten mit der Amphibienexpertin des Naturschutzbundes Nicole Lill

Heidelberg. Dunkel ist es rund um das Heidelberger Schloss und fast ein bisschen unheimlich. Der Oktober neigt sich seinem Ende zu, der Herbst ist da. Ausgestorben wirkt der Park, als sich die wissbegierige Gruppe am Besucherzentrum trifft. Die Amphibienexpertin des Naturschutzbundes (Nabu) Heidelberg, Nicole Lill, hatte eingeladen und zahlreiche Menschen, die in der Villa Bosch und beim HITS tätig sind, waren bei den zwei Nacht-Expeditionen mit großer Begeisterung dabei (Foto: Sylke Peters).

„Salamanderwetter“, lacht Nicole Lill: über 8 Grad Celsius und feucht. Und sie zeigt uns, dass es an den Mauern und Bäumen, in den Teichen und Unterschlupfen noch quicklebendig zugeht – vor allem Molche und Salamander sind noch auf Tour.

Ein Feuersalamander auf der Karte des Schlosses. Nach deren Sektoren bezeichnet Nicole Lill die Amphibien. Foto:KTS/Baumbusch

Im Frühjahr 2021 war Nicole Lill mit anderen ehrenamtlich aktiven Amphibienhelfenden regelmäßig vor den Türen, Toren und Mauern des HITS und der Klaus Tschira Stiftung unterwegs, um die in ihre Laichgewässer und Sommerlebensräume wandernden Erdkröten, Bergmolche und Feuersalamander sicher über den Schloss-Wolfsbrunnenweg zu geleiten.

So war der Kontakt entstanden, der seither nicht abgerissen ist. Schon jetzt hat die Amphibienexpertin eine große Bitte: Wer im nächsten frühen Frühjahr – das kann auch schon im Februar sein – die ersten wandernden Kröten am Schloss-Wolfsbrunnenweg sieht, bitte sofort Bescheid sagen, damit die Rettungsaktion anlaufen kann.

Doch jetzt hält erst einmal der Herbst Einzug. Die meisten Jungtiere haben ihre Metamorphose in den Gewässern abgeschlossen und sind auf der Suche nach einem geeignetem Landlebensraum. Die erwachsenen Tiere fressen sich noch einmal mächtig satt, paaren sich und begeben sich gemächlich zurück in ihre Winterquartiere.

Im Schlossgarten Heidelberg können sie bei all dem beobachtet und ihr Jahreszyklus und ihre speziellen Lebensweisen ideal beleuchtet werden. An diesem Abend sind es vor allem viele kleine Bergmolche und Feuersalamander aller Altersstufen, denen wir begegnen. Und wir erfahren, dass die Kasematten unter dem Schloss schon jetzt wieder dicht an dicht mit Fledermäusen besiedelt sind. Die kommen hunderte Kilometer weit und hängen dort zum Überwintern an der Decke. Und sie brauchen absolute Ruhe: Sonst wachen sie auf, fahren ihren Stoffwechsel hoch und verhungern.

Bergmolch-Jungspund unterwegs. Foto: KTS/Baumbusch

Unsere Lernkurve ist steil, an diesem Abend: Der Bergmolch ist ein typischer Bewohner gewässerreicher Wälder der Mittelgebirge. Während der Paarungszeit bekommen die Männchen eine blaue Rückenfärbung, die sich nach der Laichzeit ab Mai wieder verliert. Ein Bergmolch-Weibchen kann pro Saison bis zu 250 Eier legen, die einzeln an Wasserpflanzen oder Laub geheftet werden. Nach etwa vier bis fünf Monaten im Wasser erreichen die Larven die Metamorphose und gehen dann an Land.

Leuchtend-gelb gefleckt: Der Feuersalamander ist an seinem Muster gut zu erkennen. Am wohlsten fühlt er sich in den feuchten Laubmischwäldern der Mittelgebirge mit ihren kühlen Quelltümpeln. Er ist eine am Boden lebende Amphibienart mit Larvenstadium im Wasser. Feuersalamander sind ortstreu und werden bis zu 50 Jahre alt. Bis zu 70 Larven gebären die Weibchen lebend und oft über mehrere Nächte verteilt. Im Heidelberger Schlossgarten mischen sich zwei Unterarten, der gefleckte und der gebänderte Feuersalamander.

Nicole Lill hat sie fast alle dokumentiert, fotografiert und beschrieben. Sie zu identifizieren ist gar nicht schwierig, ihr Muster ist einzigartig wie ein Fingerabdruck. Doch Lurchi ist massiv gefährdet. Eine Epidemie rafft ganze Populationen dahin. Es ist erst wenige Jahre her, dass in den Niederlanden ein neuer Pilz auf der Haut von Amphibien entdeckt wurde. Sein Name: Batrachochytrium salamandrivorans, kurz Bsal oder auf Deutsch „Salamanderfresser“. Im Sommer 2020 tauchte er nach den Niederlanden, Belgien, der Eifel und dem Ruhrgebiet auch in Bayern auf.

Kein Wunder, dass man auch im Heidelberger Schlossgarten alarmiert und besonders vorsichtig ist. Wir haben Glück und treffen zahlreiche Salamander. Einer verspeist genüsslich eine Nacktschnecke, andere sind auf dem Weg ins Winterquartier. Einige, die die Metamorphose noch nicht ganz geschafft haben, müssen umgesiedelt werden, bevor die großen Wasserbecken abgelassen und winterfest gemacht werden. Viel Arbeit für Amphibienfreunde wie Nicole Lill.

Doch eine begeisterte Naturschützerin wie sie, ficht das nicht an. Sie freut sich über die gelungene Restaurierung zahlreicher Mauern im Schlossgarten. Dabei konnten die Unterschlupfe für Mauersegler, Fledermäuse, Molche, Lurche trotz Sanierung bewahrt werden: alle zogen dafür an einem Strang. „Das ist Nachhaltigkeit, wie ich es verstehe“, gibt die Naturschützerin uns abschließend auf den Weg in die Nacht.

Links:

Artikel auf der Seite der Klaus Tschira Stiftung (Deutsch): https://www.klaus-tschira-stiftung.de/wenn-amphibien-hochzeit-feiern-wollen-dann-droht-oft-lebensgefahr/#

Film über das Projekt „Citizen Conservation“ und die Rettung der Salamanderpopulation: https://www.youtube.com/watch?v=jqTBb0TuoTI&t=10s

Webseite dazu: https://citizen-conservation.org/feuersalamander/